Am Jahresanfang beginnt meistens die Ziele-Diskussion. Seit vielen Jahren galt es als unstrittig, dass (SMARTE) Ziele sinnvoll sind. Doch spätestens seit Niels Pfläging und seinen ziele-zerreissenden Veröffentlichungen sind viele ins Grübeln gekommen. Tatsächlich sind die wenigsten vereinbarten Ziele wirklich komplett selbst beeinflussbar (außer sie beziehen sich auf mein eigenes Handeln und nicht auf Ergebnisse). Tatsächlich ist die Zukunft unvorhersehbar. Und tatsächlich ist die Frage zu stellen, weshalb ein bestimmtes Plus an Umsatz/Gewinn etc. stetig von Jahr zu Jahr erreicht werden soll, wobei externe Faktoren meist außer Acht gelassen werden. Die Tricks, mit denen vielerorts gearbeitet wird, um vereinbarte Ziele auf dem Papier als erreicht zu deklarieren, sind teilweise belustigend und leider auch unternehmensschädigend. Und kosten viel Zeit und damit Ressourcen, die an anderer Stelle sinnvoller und zielführender gewesen wären. Überhaupt binden die Zielvereinbarungs-Systeme in Unternehmen sehr viel Zeit und führen leider entgegen der positiven Absichten zu oft zu Unmut. Mitarbeiter fühlen sich gegängelt und falsch bewertet. Die Folge sind Unzufriedenheit und womöglich höhere Fehlzeiten, dabei war eigentlich das Gegenteil beabsichtigt.
Aber einmal eingeführte Zielvereinbarungs-Systeme, die zudem auf Messbarkeit ausgerichtet und mit monetären Anreizen verbunden sind, sind schwer über Bord zu werfen, obwohl viele bereits (spätestens seit Reinhard Sprenger) wissen, dass Ziele, die mit Geldanreizen verbunden sind, oft sinnfrei verfolgt werden auf Teufel komm raus und demotivierende Wirkung haben können. Und im Übrigen dazu führen, dass andere wichtige „Ziele“ aus dem Blickfeld geraten, deren Erreichen aber überlebenswichtig ist im Unternehmen. Von generellen SMARTen Zielen und Zielvereinbarungs-Systemen, die mit Geld verbunden sind, kann daher getrost abgeraten werden.
Also gar keine Ziele mehr?
Andererseits ist ohne Ziel jeder Weg der Richtige. Wie soll man irgendwo ankommen, wenn man vorher kein Ziel definiert hat? Navigationssysteme machen deutlich: die Zielangabe ist wichtig, aber es führen mehrere verschiedene Wege zum Ziel.
Ziele geben Orientierung. Der Austausch über Ziele bringt Klarheit und ist per se motivierend (weil sinngebend).
Außerdem gilt: die meisten wollen selbst über ihre Ziele und auch über den Weg bestimmen und möglichst wenig von „Oben“ vorgegeben bekommen.
Erreichte Ziele können auch Meilensteine sein für weitere, dahinterliegende oder höhere Ziele. Ich selbst bin ein Fan davon, sich selbst Ziele zu definieren, die allerdings auch nicht einschränkend sein sollten, weil sie bspw. zu groß oder zu global oder zu quantitativ sind. Qualitative Ziele erhöhen meistens die Arbeits- und die Lebensqualität mehr als quantitative Ziele.
Klar definierte Maßnahmen zu definieren, um voran zu kommen, z. B. an einem bestimmten Tag pro Woche an Thema X zu arbeiten oder pro Woche soundsooft xy zu tun oder täglich eine bestimmte Sache zu tun, sind für mich eher Ausdruck des persönlichen Selbstmanagements als der Ziele.
Andererseits kann es ein sinnvolles Jahresziel sein, zu sagen, dieses Jahr werden wir den Prozess xy überarbeiten und verbessern (wie auch immer und wohin auch immer, das wird sich dann im Prozess der Überarbeitung finden…). Oder ein Kompetenzziel: Ich bzw. mein Team und ich werden uns zum Thema xy weiterbilden und qualifizieren.
Hier meine 5 Tipps für eine erfolgreiche Zielerreichung:
- Weniger ist mehr: es ist motivierender, alle Ziele erreichen zu können als ständig das Gefühl zu haben, den eigenen Ansprüchen/Zielen hinterherzulaufen und nicht gerecht zu werden. Daher: lieber weniger vornehmen und dafür zufriedener sein. Denn: die meisten Leute überschätzen, was sie in einem Jahr schaffen können aber unterschätzen, was sie in 10 Jahren schaffen können!
- Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt: Ziele für sich herunterbrechen und in kleine Steps aufdröseln, macht aus großen Brocken kleine Häppchen, die auch mal in einer Stunde vorangetrieben werden können. Wenn ich mir sage: Für den ersten Schritt brauche ich mal einen ganzen Tag in Ruhe, dann wird es wahrscheinlich nichts. Dann wann hat man das schon mal? Also: auch das Erstellen einer ersten to-do-Liste ist bereits ein Schritt in die richtige Richtung.
- Was andere können, kann ich auch: sich selbst gut zureden und sich aus der Komfortzone heraustrauen, ist ebenfalls hilfreich zur Zielerreichung. Im Übrigen gibt es inzwischen für fast alles sehr gute Tipps und Techniken, deren Anwendung quasi automatisch zum Erfolg führen. Andere haben das schon geschafft, also kann es so schwer nicht sein. Und nehmen Sie sich ruhig mal etwas heraus, seien Sie unbequem und bitten Sie andere um Hilfe. Warum nicht? Andere tun das auch. Überlegen Sie mal, wem Sie allein im letzten Jahr alles geholfen haben…
- Fertig ist besser als perfekt: Perfektion anzustreben ist meist ein großer Verhinderer. Heute sind wir gesellschaftlich gesehen sowieso auf dem Weg zu mehr Inhalt statt Form, zu mehr Lösungsorientierung statt Power Point-Orientierung. Das Ergebnis zählt – auch wenn noch Rechtschreibfehler drin sind! Hinterfragen Sie auch Ihre Glaubenssätze: müssen Sie wirklich erst noch X, bevor Sie mit Y beginnen? Oder könnte man ev. auch X weglassen?
- Fangen Sie an! Kommen Sie zügig ins Handeln, bevor das Ziel an Attraktivität verliert, weil sich im Laufe des Jahres neue Ziele auftun, die um Ihre knappe Ressource Zeit kämpfen. Außerdem sind erste Erfolge motivierend und Halten Sie bei der Stange!
Und für die Mitarbeiter:
Ermutigen Sie auch Ihre Mitarbeiter mit den o. g. Ratschlägen. Und predigen Sie nicht nur Fehlertoleranz sondern leben Sie sie auch! Mein ehemaliger Chef in meinem ersten Job sagte mal zu mir: “Ich freue mich immer, wenn sich jemand über Sie beschwert, dann weiß ich, dass Sie unterwegs sind (in Ihrer zu betreuenden Zielgruppe) und unbequem werden und die Führungskräfte zum Nachdenken bringen.” Na, wenn das keine Ermutigung war!
Welche Erfahrungen haben Sie mit der Fehlertoleranz Ihres eigenen Chefs?
Herzliche Grüße und viel Erfolg in 2017, Ihre
Barbara Gülpen